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Führung und Liebe I

Werden hier zwei Welten vermischt? Führung ist ein ernstes Geschäft. Viel steht auf dem Spiel. Wer wollte da einem Aufsichtsgremium erklären, man setze jetzt - nach oder neben anderen Management-Tools - auf Liebe?

Allerdings: Ist Liebe unernst? Wohl kaum. Also einfach unpassend im Führungskontext? Wagen wir, was immer schon galt und in Zeiten von Digitalisierung & Co. von der Kür zur Pflicht wird: Lassen Sie uns - versuchsweise und für einen Moment - scheinbar Unvereinbares zusammendenken.

Nun, Liebe und das, was wir dafür halten, übersteigt den Rahmen dieses kleinen Textes um Längen. Nicht wenige halten sie für das Größte, was ein Mensch geben und erfahren kann. Sie, die sich so schwierig definieren und noch schwieriger produzieren lässt. Sie, die so unerreicht oft verwendet und verwechselt wird, dass nicht wenige bereits bei der bloßen Nennung des Wortes das Grausen überfällt. Was also hat die vielleicht größte Sehnsucht und schmerzlichste Erfahrung des Menschen im zahlengetriebenen, Kontrolle und Erfolg heischenden Führungsalltag zu suchen?

Was aber, wenn es ganz anders ist? Was, wenn Liebe und das, was wir mit bestem Willen dafür halten können, gerade dort am Platz ist wie selten etwas anderes? Gerade keine idealistische, private Gefühlsduselei. Was, wenn Liebe genau das fehlende Puzzleteil ist, das übliche Management-Ansätze immer wieder unzureichend sein lässt? Was, wenn lediglich alte Gewohnheiten und unzutreffende Vorurteile den Blick dafür verstellen? Wagen wir das Experiment und charakterisieren das heikle Wort für den Moment mit zwei Merkmalen: Dem der tiefen Zuneigung und dem des grundsätzlichen Vertrauens. Beginnen wir mit der Zuneigung, die hier nicht eine größere oder kleinere Dosis Sympathie bezeichnet, sondern eine - am Bild des Körperlichen anschaulich vorstellbare - Haltung: Ein Mensch, der sich einem anderen zuneigt, macht mindestens zweierlei. Er wendet sich dem anderen zu - und er neigt sich dabei. Schon die Zuwendung, wenn sie denn bewusst und echt ist, erzeugt eine andere Welt. Da ist jemand, der jetzt da ist für mich und mein bzw. unser konkretes Anliegen. Da ist jetzt jemand, der unserer gemeinsamen Arbeit und mir ein stabiles Wohlwollen entgegen bringt. Da ist tatsächliche Kooperation.

Und hier kommt der andere Aspekt der Zuneigung ins Spiel - die Neigung. Neigung verstanden als eine - innerliche und äußerliche - Bewegung, die eigene Größe zurücknimmt, dabei die Distanz zum Gegenüber verringert und so Anschluss für Verbindung und Beziehung schafft. Idealistische Gefühlsduselei? Nein! Weil wir wissen, aus unserer täglichen Erfahrung wie aus den Ergebnissen theoretischer Forschungsarbeit: Menschliches Leben ist im Kern auf Zuwendung, Resonanz und Anerkennung ausgerichtet - bis in die elementaren Tiefen der Biologie. Nichts bewegt uns so, nichts ist für uns und unsere Motivation vergleichbar grundlegend. Wer also im Führungskontext echte Zuneigung im hier verstandenen Sinne als verlässliche Haltung praktiziert, bewegt sich nicht im Wolkenkuckucksheim realitätsferner Schwärmerei, sondern baut an den Grundfesten erfolgreicher menschlicher Kooperation. So handfest und praktischen Nutzen stiftend wie nur möglich.

Schließlich: Was will ernsthafte Führungsarbeit anderes als zielgerichtet erfolgreiche Kooperation ermöglichen? Dazu braucht es Vertrauen.

Lassen Sie uns das vertiefen.