mhoening header

Nicht sein eigener Feind sein - Führung und Angst III

An Extremen lässt sich lernen. Da bezeichnet ein an Georg BÜCHNER erinnernder Silicon-Valley-Unternehmer sich selbst als sein schlimmster Feind. Er beschreibt das tägliche Pendeln zwischen Gipfelerlebnissen und abgrundtiefen Abstürzen, den Stress, der nie nachlässt. Auf der Suche nach Gründen für seine Situation findet er eine Verpflichtung, die er nicht einlösen kann. Sie fragen, warum ich Ihnen das erzähle?

 

Weil mich interessiert, wo Sie – abgesehen von Ihren genialen Anlagen – Verbindungen sehen zu sich?
Wenn Sie wollen, schauen Sie für den Anfang auf einen der beiden Aspekte:
(1) Das Lebens- und Arbeitsgefühl
(2) Anspruch und Selbst-Verpflichtung

Beginnen wir mit einer Frage zum Lebens- und Arbeitsgefühl, das immer wieder Thema ist: Wie oft gestatten Sie sich, ganz bewusst Ihre Gestaltungsmöglichkeiten zu genießen? Wie oft nehmen Sie ganz bewusst wahr, was Sie in Ihrer Führungsrolle ermöglichen können, welche Projekte, welche individuellen Entwicklungswege durch Ihre Entscheidungen massgeblich so und nicht anders verlaufen? Natürlich werden Sie sagen: Da ist doch kaum Spielraum, da sind meine eigenen Vorgaben, da die sich dauernd verändernde Kundenanforderungen usw. Klar, Sie haben diese Seite der Realität im Blick– und dennoch lade ich Sie ein, Ihren Fokus jetzt auf die andere Seite zu legen: Freuen Sie sich ganz entschieden und bewusst über Ihre Gestaltungsmacht, freuen Sie sich über die schöpferische Kraft, die Ihnen aus Ihrem Entscheiden-Können, Ihrem Für-sich-und-andere-ermöglichen-Können erwachsen kann. * Spüren Sie die Kraft und die Freude? Vielleicht ist da auch ein Anflug von Dankbarkeit. Bleiben Sie noch einen Moment dabei.

Begleiten wir nun, nach diesem Ausflug in die Höhen der Gipfelerlebnisse, den oben erwähnten Visionär auf einen der klassischen Wege in die Tiefen der täglichen Abgründe. Nehmen wir die automatische Koppelung des eigenen Wohlbefindens an den aktuellen Führungserfolg. Dann, wenn es nicht gut läuft. Zu welchem Ergebnis kommen Sie in Ihrer kleinen Tagesrückschau zur Frage „Wann war ich heute in produktiv-freudig-gelassener Verfassung, obwohl wichtige Dinge nicht geklappt haben“? Selten? Natürlich, das ist normal – normal im Sinne von üblich. Allerdings: In welcher Verfassung haben Sie die besseren Ideen, in welcher Verfassung merken Sie Schwierigkeiten schneller, haben Sie die passenderen Worte parat in einer eskalierenden Konfliktsituation? Wenn Sie genervt sind, sich unbehaglich bis unsicher fühlen? Nicht? Wo steht geschrieben, konstruktives Wohlbefinden sei nur in Erfolgssituationen am Platz? Ist es nicht viel eher umgekehrt? Ist konstruktives Wohlbefinden nicht dann, wenn es schlecht läuft, viel nötiger? Woher kommt diese andere, betriebswirtschaftlich und persönlich kontraproduktive Vorstellung bei vielen? Damit sind wir bei den Ansprüchen und Selbst-Verpflichtungen.

Lassen Sie uns das vertiefen.

* Falls Sie das für selbstverständlich halten: Tauschen Sie - in Ihrer Vorstellung oder für 48 Stunden - die Rolle mit jemand, der in Übersichts-Organigrammen nicht auftaucht, eine der Personen, die für Sie viel weniger möglich machen kann als umgekehrt. Merken Sie den Unterschied?