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Motiv-Karneval?

Wer erwähnt im Auswahlverfahren für eine renommierte Position (auch) das Bedürfnis nach persönlicher Wertschätzung als wichtigen Beweggrund? Wer erklärt den Kauf einer süddeutschen Edel-Limousine (auch) mit dem Verlangen, auf Anhieb als bedeutsamer Mensch erkannt zu werden? Wer begründet Investitions- oder Forschungsmittelanträge (auch) damit, die eigenen Arbeits- und Existenzgrundlagen sichern zu wollen? Wann verkleiden Sie Ihre Anliegen mit Argumenten, die Wesentliches nicht auf den Tisch legen?

 

Empfinden Sie es als unangebracht, alle* wesentlichen, entscheidungsrelevanten Motive transparent zu machen, ggf. auch sog. persönliche? Ist es, mit Blick auf die plakativen Beispiele oben, nicht sehr nachvollziehbar**, seine wirtschaftliche Existenz sichern zu wollen? Ist es nicht sehr nachvollziehbar, sofort als wertvoller und bedeutsamer Mensch erkannt werden zu wollen? Hätten jedoch nicht ganz andere, bessere Entscheidungen getroffen werden können, wenn die Beteiligten gewusst hätten, dass...?

Denken wir also einen Augenblick nach über Konsequenzen, wenn es in Organisationen übliche Praxis ist, eigene Motive zu verkleiden: Der oder die Verkleidende (V) könnte sich unwohl fühlen, weil die Person merkt, sie sagt etwas Wichtiges nicht, verbirgt etwas. V muss sich zurückhalten, ist ein Stück unwahrhaftig, wirkt möglicherweise angespannt, weil sich in ihr ein Konflikt abspielt („Ist es nicht doch wichtig zu sagen...“) oder sie befürchtet, die andere Person (A) könnte etwas von den verborgenen Motiven ahnen. Wie ergeht es A? Vielleicht stellt sich A die Frage, warum V wohl so angespannt ist, ob es womöglich (noch) irgendwelche nicht angesprochenen Schwierigkeiten gibt. Vielleicht überträgt sich jetzt die Anspannung auf A, weil A vorsichtiger wird und herausfinden will, wo das Problem liegen könnte. Was wiederum die Besorgnis von V erhöht usw. Wenn schließlich das kreative Denken wechselseitig mehr mit den je eigenen Interpretationsversuchen und Befürchtungen beschäftigt ist als mit der gemeinsamen Suche nach einem möglichst guten Ergebnis...

Klar ist: Intransparenz führt zu Entscheidungen, die auf unvollständiger Grundlage getroffen werden. Intransparenz erzeugt Unsicherheit. Vertrauen nimmt auf diese Weise nicht zu, sondern ab. Damit wachsen Transaktionskosten, die Beziehungsqualität verschlechtert sich. Kurz: Das Fundament für sämtliche geschäftliche Aktivitäten und Entscheidungen in der Zukunft leidet. Häufen sich solche Vorfälle in Organisationen, wächst ein Klima latenten Misstrauens, das kundenbezogene Abläufe aller Art verlangsamt und nötige Veränderungen erschwert bis verunmöglicht. Nicht zu reden von den unproduktiven Folgen für Kreativität, Entwicklung und Arbeitsfreude. Organisationen, die langfristig überleben und ihren Beitrag leisten wollen, arbeiten anders – selbst ohne GEMEINSINN-Orientierung.

Lassen Sie uns das vertiefen.

* Natürlich ist unabdingbar wichtig, sich klar darüber zu werden, welches Maß an Offenheit wo sinnvoll ist.
** Wir behandeln hier nicht die wichtige Frage, was eine Gesellschaft bzw. eine Organisation jeweils für akzeptabel hält. Auch nicht die noch grundsätzlichere Frage, ob es überzeitliche, nicht verhandelbare Normen dafür geben kann und soll.