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Vertrauen und Kontrolle

Wie weit vertrauen Sie auf Kontrolle?

Wir waren angelangt bei der Frage, worauf denn zu vertrauen wäre. Mutig hatten wir uns vorgewagt in Richtung einer Offenheit, die – grundsätzlich und konkret – bereit ist, vom Sinnvollen auszugehen – sei dieses jetzt schon erkennbar oder noch nicht. Dazu ergänzend jetzt ein Blick auf das Verhältnis von Vertrauen und Kontrolle. Ausgangspunkt ist die Annahme, beide Haltungen haben ihre Berechtigung. Auf den ersten Blick könnten Sie auf die Idee kommen, Sie hätten die freie Wahl.

 

Sie könnten meinen, Vertrauen und Kontrolle wären einfach zwei Möglichkeiten, von denen jeweils eine die bessere sei. Stimmt das? Probieren Sie. Nehmen Sie eine für Sie wichtige Situation aus Ihrem aktuellen Arbeits- oder Lebenszusammenhang und spielen Sie diese durch unter dem Vorzeichen des Vertrauens. Übertreiben Sie gerne ein wenig. Sie vertrauen und vertrauen und vertrauen. Was würde sich ergeben? Anschließend betrachten Sie dieselbe Situation unter dem Gesichtspunkt des Kontrollierens. Sie kontrollieren und kontrollieren einfach alles. Lassen Sie sich Zeit. Was stellen Sie fest? Was auch immer Sie gerade erkannt haben, nehmen Sie es ernst. Gerne würde ich Sie jetzt fragen, ob es Ihnen gelungen ist, sich Kontrolle ohne Vertrauen vorzustellen. Haben Sie es geschafft, es beim Kontrollieren zu belassen, so gut wie gar nicht vertrauen zu müssen? Wie war es, was haben Sie dabei erlebt?

Ich stelle mir eine grundsätzliche Kontroll-Haltung zeitintensiv und kräftezehrend vor. Weshalb? Vielleicht, weil Misstrauen in sich zur Bodenlosigkeit neigen könnte. Denn: Wo beginnen Sie, etwas zu akzeptieren, etwas nicht mehr zu hinterfragen? Wo fangen Sie mit dem Vertrauen an? Mir scheint, an irgendeinem Punkt sind Sie geradezu gezwungen zu vertrauen, ganz einfach, weil Sie diesen Punkt nicht mehr mit vertretbarem Aufwand überprüfen können oder wollen. Je später dieser Punkt erreicht wird, desto umfangreicher und zeitintensiver wird Ihre Arbeit. Zusätzlich erschwerend könnte sein: Je weiter oben Sie in einer hierarchieförmigen Organisationen angesiedelt sind, desto größer tendenziell der Kontrollaufwand.

Wo aber liegen die Vorteile einer Kontroll-Haltung? Unter anderem wohl darin: Beim Kontrollieren können wir etwas tun, sind aktiv, erleben uns kraftvoll und autonom. Unsere Kontroll-Haltung ermöglicht ein – mehr oder minder zutreffendes – Gefühl von Sicherheit. Ahh, ich habe es im Griff, bin „save“. Und das fühlt sich gut an. Ganz anders diese eher passiv anmutende Vertrauens-Haltung. Schließlich wissen wir aus Erfahrung, dass wir uns damit verletzlich machen. Und wir wissen auch, wie schön es werden kann, wenn keine Verletzung geschieht.

Haben wir also wirklich nur die Wahl zwischen angespannter (Schein-) Sicherheit und verletzlicher Freude? Ein erster Schritt könnte sein, sich Kontrolle und Vertrauen als zwei grundsätzliche innere Haltungen zur Welt bewusster vor Augen zu führen – und mit ihnen in Entscheidungssituationen verantwortungsvoll zu experimentieren. Dann wird sich individuell zeigen, wie weiter.

Vielleicht vertiefen wir das noch bei Gelegenheit.